Das Häldenstayner Stadtmuseum zerlegt sich selbst

„Was zum #~$@!“, entfuhr es dem Vereinssprecher von Goldman’s Axt, als er von der Verschiebung des Spiels erfuhr, aber eins nach dem anderen.

Die Wetterfrösche[1] hatten bereits am Vortag Regen für den Folgetag vorhergesagt und somit die Vereinsabteilung des Museums in Angst und Schrecken versetzt, schließlich werden Exponate nicht ohne Grund trocken gelagert. Boss Bragora, Trainerin der Museumsmannschaft, hatte schon vor Saisonbeginn den Bau einer Stadionüberdachung angeregt und sah nun ihre poröse Mannschaft unfair behandelt, zumal die Turnierleitung den Einsatz von Regencapes mit dem Hinweis verbot, man dürfe den Besuchern den Anblick von Blut nicht verweigern – immerhin sei dies Blood Bowl. Den berechtigten Einwurf, dass Skelette selten bluten, ließ man auf Drängen der Zwergenmannschaft nicht gelten. Selbige begrüßten aus eben diesen Gründen die Wetterverhältnisse, auch wenn diese das Bier verdünnen würden (weswegen der Team-eigene Braumeister ankündigte, den Alkoholanteil im Vorfeld zu verdoppeln).

Das Spiel war dementsprechend praktisch gelaufen, als am frühen Morgen tatsächlich die ersten Gewitterwolken aufzogen und Häldenstayn mit seinen maroden Straßen in eine Sumpflandschaft verwandelten. Einzig eine Handvoll zwergischer Fans setzte bei diesem Wetter die Stiefel vor die Tür und zog lärmend durch die Stadt.

Häldenstayn versinkt im Regen. Nicht alle Bürger haben den Luxus einer gepflasterte Straße vor der Tür.

Das Unverständnis unter den Zwergen war entsprechend groß, als drei Stunden vor Spielbeginn der Bürgermeister das Spiel aus „organisatorischen Gründen“ zunächst auf unbestimmte Zeit, auf Druck der Straße hin um einen Tag verschob. Für zwergische Fans verdächtig – das Gewitter sollte sich über Nacht verziehen. Fans des Museums äußerten hingegen Verständnis. Der Bürgermeister habe eine weise Entscheidung getroffen, befand Museumsdirektor Booklet. Fans hätten schließlich durch den Regen das Spielgeschehen nicht richtig verfolgen können.

Vor diesem Hintergrund wunderte es keinen, dass die Stimmung im Stadion trotz oder gerade wegen des herrlichen Wetters am Folgetag angespannt war. Von kleineren Rangeleien auf der Westtribüne abgesehen, blieb es aber vor Spielbeginn friedlich. So konnte das Spiel von Schiedsrichter Littlefigure pünktlich angepfiffen werden.

Mit der Ballfreigabe wurde jedoch allen Zuschauern deutlich, was sich bei der Mannschaftsaufstellung der Zwerge bereits erahnen ließ. Ausnahmslos alle Zwerge waren sternhagelvoll. Scheinbar hatte der Braumeister tatsächlich den Alkoholanteil erhöht – was sich mit ausbleibenden Regen sehr nachteilig auswirkte. Mit dem Pfiff wankten die Zwerge planlos über den Rasen und kickten den Ball den Skeletten beinahe in die Hände. Diese gackerten fröhlich und klapperten ungestört in Richtung Touchdownmarkierung. Unter tosendem Jubel des häldenstayner Bildungsbürgertums erzielte daher ein gut aufgelegter Thutgrobes den ersten Touchdown des Spiels.

Sinnbildlich für alle Zwergenspieler torkelt Grobotosch über den Platz

Was die wenigsten wissen ist, dass Zwergenmannschaften häufig die erfahrensten Mediziner in Sachen Bluttransfusion beschäftigen. Dies lässt sich zurückführen auf das große Saufgelage im Jahre 1075 – aber das führt an dieser Stelle zu weit. Fakt ist, dass seitdem zahlreiche Zwergenteams Blutkonserven eines jeden Spielers lagern und eine „Apparatur“ besitzen, mit der sich gleichzeitig Blut entnehmen, wie auch zuführen lässt[2]. Während Thutgrobes sich noch feiern ließ, stürmte daher Teamarzt Anatomosch mit der „Apparatur“, gefolgt von seinen Assistenten, welche die Blutkonserven in Schubkarren schoben, den Platz. Den Zuschauern bot sich ein blutiges Spektakel, welches als vorgezogene Halbzeitschau von den Fans mit Standing Ovations bedacht wurde.

Zahlreiche Nadelstiche später wirkte das Team um Trollslayer Grobotosch wie ausgewechselt. Als hätte es die Szenen aus der Anfangsspielzeit nicht gegeben, pflückte Lineman Rigolosch bereits an der Line den Kick der Museumsmannschaft herunter und marschierte, eskortiert vom halben Team, tief ins gegnerische Feld. Ob mit Absicht oder aus Versehen – während der Bluttransfusion landeten auffällig viele Blutspritzer auf den Skeletten, die auch nach Wiederanpfiff damit beschäftigt waren sich mit den wenigen zur Verfügung stehenden Stofffetzen zu säubern (die Mumien gaben nur sehr widerwillig Leinenfetzen her), weswegen eine adäquate Verteidigung nicht rechtzeitig auf die Beine gestellt werden konnte. So hatten auch die zwergischen Fans Anlass zum Jubeln, als Rigolosch den Touchdown für Goldman’s Axt mit dem Pausenpfiff erzielte.

Fans beider Mannschaften hatten zwar bis hierhin ein phasenweise packendes Spiel erlebt, aber die wenigen Verletzungen, sowie der Vorwurf Goldman’s Axt habe sich mit seiner Bluttransfusion unsportlich verhalten, sorgte für weitere Anspannung unter den Fans. Daran änderte auch die Halbzeitshow der Dancing Chicks von Bauer Eberhart[3] nichts, zumal sich ohnehin der Großteil der Fans die alten Hahnenkämpfe zurückwünschte.

Das Fass zum Überlaufen brachte jedoch eine angebliche, in der Pause festgestellte Fraktur des kleinen Zehs bei Exponat 1-7 und die Ankündigung des Museums, zunächst diesen Knochen ersetzen zu wollen. Vorher wolle man unter keinen Umständen das Spiel fortsetzen.  Den zwergischen Fans, denen nicht entgangen war, dass sich über dem Stadion erneut dunkle Wolken zusammenzogen, witterten Betrug und begannen sogleich „Schiebung“ zu skandieren.  Letztlich gelang es aber einem guten Dutzend aufgebrachter Fans die Kabinen zu stürmen und den Knochenhaufen auf das Spielfeld zu scheuchen. Die hierbei entstandenen Schäden an den Ausstellungsstücken wurden im Anschluss des Spieles dem Geldinstitut in Rechnung gestellt. Konkret für das Spiel hieß das jedoch, dass beispielsweise Exponat 1-7 ohne Arme und Beine spielen musste – Kurz gesagt: der Kabinensturm als taktisches Mittel des 12. Mannes hatte seine Wirkung nicht verfehlt.

Entsprechend konnte die zweite Hälfte nicht ansatzweise an das Niveau der ersten Hälfte anknüpfen. Die Skelette der Museumsmannschaft waren zu sehr bemüht ihre auf dem Rasen verstreuten Extremitäten einzusammeln, um diese anschließend notdürftig zu fixieren, anstatt ernsthaften Widerstand zu leisten gegen die nun drückend überlegene Zwergenmannschaft. Als dann noch Fans der Museumsmannschaft anfingen ihre abgenagten Hühnerknochen auf das Spielfeld zu werfen[4], in der Hoffnung, diese könnten als Ersatzknochen verwendet werden, wurde es auch Schiedsrichter Littlefigure zuviel und er unterbrach das Spiel für eine Viertelstunde. Alle auf dem Boden liegenden Knochen, Hühner- wie auch Skelettknochen, wurden von den Schiedsrichtern eingesammelt und auf einen Haufen abseits des Spielfeldes geschmissen. Littlefigure erklärte dies später mit der ausgehenden Stolpergefahr für die Spieler. Damit konnte er im Grunde nur die zwergischen Spieler meinen, da ein Großteil der Museumsmannschaft nicht mal in der Lage war zu Laufen. Mit laufunfähigen Spielern waren die Optionen für Museumscoach Boss Bragora anschließend sehr begrenzt. Es hatte daher etwas sehr bemitleidenswertes, als die Skelette anfingen am Boden liegend sich ihre Rippen aus dem Brustkorb zu brechen, um diese auf die Zwerge zu schmeißen. Hier rächte sich einmal mehr, dass Boss Bragora im Training systematisch das Werfen vernachlässigt- keine einzige Rippe konnte einen Zwerg treffen. Und so blieb nur das jämmerliche Bild einer sich selbst zerlegenden Skelettmannschaft, die zusehen musste, wie die Zwerge um Tamburin entspannt den 2:1 Endstand erzielten.

Glück im Unglück für die Museumsmannschaft – der Platzregen entlud sich erst kurz nach Abpfiff des Spieles, weitere Beschädigungen an den Knochen konnte somit vermieden werden.

 

[1] In Häldenstayn wird noch ganz traditionell aus den Eingeweiden von Fröschen das Wetter vorhergesagt. Spritzt viel Blut, verheißt dies zumeist schlechtes Wetter.

[2] Zumeist kann sich ein Team nur eine „Apparatur“ leisten, da hohe Lizenzgebühren fällig werden.

[3] Die Dancing Chicks sind von Bauer Eberhart dressierte Legehennen, die auf Kommando Eier legen, Pyramiden bilden und sonstige Kunststücke vollführen.

[4] Traditionell werden nach Hahnenkämpfen oder Auftritten der Dancing Chicks die Hühner gebraten und teuer verkauft – schließlich soll (laut Hersteller) der Verzehr dieser Tiere Glück und Frohsinn für ein ganzes Jahr bringen.

Eine Antwort auf „Das Häldenstayner Stadtmuseum zerlegt sich selbst

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  1. Bauer Eberhardts Hühner waren das beste an dem Spiel !

    Was da auf dem Platz geboten wurde hatte wenig mit dem eleganten Spiel, dass Blood Bowl sein sollte zu tun.

    Wenn nicht mal ein Pass versucht wird und der Ball nur von einer stampfenden Meute bewegt wird, hat das beim besten Willen nichts mehr mit dem Sport zu tun, den ich als Kleinelf von meinem Vater gelehrt wurde.

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